Praxis für Menschen mit ihren Anliegen Brigitte Schnell

PRAXIS FÜR MENSCHEN

Tai Chi Ch'uan

1996 begann ich ganz unschuldig und in völliger Unkenntnis darüber was mich erwarten würde, aber wie üblich voller Ahnung und Neugierde, mit dem Unterricht bei meiner, aus Taiwan stammenden, Lehrerin Mrs. Li Ping-Thacker, die zu der Zeit mit ihrer Familie in meiner Gegend wohnte, und so konnte und durfte ich, über einen Zeitraum von sieben Jahren, ihre Schülerin sein.

 

Tai Chi Ch´uan ist eine asiatische Bewegungsmeditation, die in China, aber beispielsweise auch in Taiwan zum normalen Alltag gehört und in der Regel innerhalb eines Gruppengeschehens erlernt werden kann. Das Bild Tai Chi ausübender Menschen in öffentlichen Parks, vorwiegend in den frühen Morgenstunden, gehört dort zu einem selbstverständlichen, alltäglichen Bild, vergleichbar mit Spaziergängern in unseren Breitengraden am Sonntagnachmittag.

 

Dabei ist es üblich diese Kunst zunächst nahezu schweigend zu übernehmen. Li Ping erzählte mir, dass sie, als sie mit dem Tai Chi Ch´uan begann, in den Park ihres Wohnviertels ging, sich eine Gruppe aussuchte, den Meister, der die Gruppe anführte, ansprach und ihn um Aufnahme bat. Als dieser das Ansinnen bejahte wurde sie in der Mitte der Gruppe platziert, sodass sie an jeder Seite mit einem Vorbild ausgestattet war, das wenigstens schon einen Tag klüger sein musste als sie. Als sie nach mehreren Jahren des täglichen Übens an den Rand vorgerückt war, bestätigte sie ihr Meister in ihrem Können.

Bei Li Ping und mir war es nicht die Tradition, sondern die Sprachbarriere, die mich in die Situation versetzte diese Lehre nahezu schweigend anzunehmen und beim Ausüben unzähliger Wiederholungen der einzelnen Bewegungsabläufe zu entdecken, was es sein, was es bedeuten könnte (an der Stelle drücke ich mich gerne vorsichtig aus) aufmerksam zu sein. Sowohl im Hinblick auf den anderen, als auch in Bezug auf sich selbst.

Das Buch der Wandlungen, große Lehrer wie Lao-tse waren an dieser Stelle nie, oder jedenfalls kaum „Gegenstand einer Diskussion″ um die Frage, wie die Welt sich dreht, sondern sie waren schweigend anwesend in dieser Form des Miteinanders. Wie immer ich mich angestellt haben mag, Li-Ping verlor an keiner Stelle weder Geduld noch Zugeneigtheit. Nie wieder erhielt ich im Schweigen ein solch großartiges Geschenk.

 

Ich bin also keine explizite Kennerin der traditionellen chinesischen Medizin, in der die Tai-Chi-Variationen als fester Bestandteil gelten, noch sehe ich mich als eine Vertreterin fernöstlicher Weisheiten, schon deswegen nicht, da ich entdecken durfte, wie ähnlich die Dinge im All-Einen sind, eben Eins, und dass sie sich oftmals hauptsächlich in ihren Definitionen unterscheiden, da sie durch räumliche und damit unterschiedliche ethnische Entwicklungen, Traditionen und Religionen verschiedene Wege gehen, strebend zum gleichen Ziel. Ich übe mich also nicht in der Verkündung fernöstlicher Weisheiten, das können andere ganz sicher sehr viel besser, sondern ich praktiziere lediglich die Bewegungsabläufe des

 

Tai Chi Ch´uan, Yang Style, long form, in Anlehnung an Chen Man Ch´ing.

 

Tai Chi Ch´uan nennt sich dabei die Meditationsform. Yang war ein berühmter Meister, der noch vor der Kulturrevolution des alten China gelebt und gewirkt hat. Einer seiner letzten Schüler, Cheng Man Ch´ing, floh vor Mao Tse-tung in die USA und bearbeitete dort die Lehre Yangs in die sogenannte short form, die er seinerseits im Westen lehrte und verbreitete. Von ihm gibt es das wunderbare Buch:

„Die dreizehn Kapitel des Tai Chi Ch´uan″, (Irsiana-Verlag, ISBN 3-89631-389-4) welches sich, meiner bescheidenen Kenntnis nach, allerdings nicht direkt für Anfänger eignet.

 

Tai Chi Ch´uan lädt uns ein, über die Hinwendung zu uns selbst, uns, aus uns selbst heraus, in dem Fall also passiv, bewegen zu lassen. Dazu gibt es bestimmte Bewegungsabläufe, die geeignet sind, Körper, Seele und Geist in die Balance und damit in eine Mitte zu bringen. Dies gelingt z.B. mit Übungen, die darauf abzielen uns zu erden, und dabei eine echte „Boden-ständig-keit″ und somit Stabilität zu erreichen. Der Energiestrom lenkt sich hierbei über den Atem.

 

Tai Chi Ch´uan, Yang Style, long form, besteht aus einer Kür fester Bewegungsabläufe, die sich in drei Hauptteilen darstellt, welche sich, ihrem Schwierigkeitsgrad gemäß, aufeinander aufbauen. Dabei bilden die Basisbewegungen eine solide Grundlage, die den Aufbau bis hin zu den höchsten Schwierigkeitsgraden, durch ständiges Wiederholen, fortwährend begleiten. Dadurch behält diese Meditationsform ihre Attraktivität für den Anfänger in gleichem Maß wie für den fortgeschrittenen Schüler. So ist die Ausübung zwar einem ständigen Wandel unterworfen, einfach weil es keine einzige Bewegung in identischer Form zweimal gibt, an keiner Stelle jedoch unterwirft sie sich einem Leistungsspektrum. Sie entwickelt sich lediglich adäquat zum Sein. Hier geht es also nicht um „Können″ im Sinne einer Gymnastik, sondern in der Hauptsache um Aufmerksamkeit im Sinne des Geistes, im Sinne der Bewusstseinsbildung.

 

„Das wichtigste im Leben ist die Aufmerksamkeit!″ - Laotse

 

 

Hier biete ich immer wieder sowohl Kurse, als auch Einzelunterricht an.

 

 

 

 

Tai Chi Ch'uan