Praxis für Menschen mit ihren Anliegen Brigitte Schnell

PRAXIS FÜR MENSCHEN

Astrologie

Wie verhält sich das denn nun mit der Astrologie?

Die astrologischen Prinzipien in ihrem Wechselbezug

Astrologie, die verbannte Wissenschaft

 

Entstehung und Werdegang

Als der Mensch begann sich zu erheben und aufzurichten, wandte er sich schon in

dieser Bewegung dem Himmel zu, ohne, dass ihm das bewusst war. Weil er noch

nicht gelernt hatte zu unterscheiden, auszuschließen, abzuspalten, wusste er noch

alles und so verstand er, dass er eins war mit dem Universum. Er war das

Universum und das Universum war in ihm. Dieses Urwissen war in seinem

Selbstverständnis, ohne je darüber gelesen, oder gehört zu haben. Dieses Urwissen,

im Sinne einer archetypischen Anlage, ist in der Seele eines Menschen bis heute

gespeichert.

 

Die ersten Aufzeichnungen über die Himmelsbewegungen stammen von den Sumerern und den Babyloniern um ca. 4500 v. Chr., die bereits durch die Beobachtung der Naturerscheinungen eine Analogie zwischen Himmel und Erde herstellten.

 

Indem der Mensch fragt und sucht, verändert er sich mit seinen Antworten. Erkenntnisse über die Sternbilder sind für die Sternbilder selbst ohne jeden Belang, nicht so für den Suchenden, den Fragenden. Ihn verändern die Kenntnisse über sich selbst, auch wenn sie nicht endgültig gesichert sind.

 

Aus diesem Fragen und Beobachten entwickelte sich eine Denkkultur, die weltweit, ab Mitte des
6. Jahrhunderts v. Chr., aus scheinbar unerklärlichen Gründen, nahezu zeitgleich in Erscheinung trat. Das Denken der Menschen, in verschiedenen Teilen der Erde, machte einen unerwarteten Sprung. In Indien – Buddha, in China – Laotse und Konfuzius, in Persien – Zarathustra und in Griechenland – die Vorsokratiker. Karl Jaspers spricht hier von einer „Achsenzeit der Weltge-
schichte″.

 

Im Denken der damaligen Zeit entwickelten sich bereits Ordnungen, die in verschiedenen Systemen nach der Wahrheit suchten. Dabei untersuchte man den Himmel durchaus auf mannigfaltige Art und Weise, sodass die Philosophie, die Mathematik und die Astrologie als werdende Systeme miteinander im Dialog standen, da sie sich, zum Teil auf das Engste, aufeinander beziehen. Die Tendenz das Denken zu systematisieren, das Bestreben, alles Wirkliche aus Prinzipien abzuleiten, stammt schon von Hesiod (700 v. Chr.).

„So entstand der Übergang vom Mythos zur Philosophie der Schrift, vom bildhaft Anschaulichen zum begrifflich abstrakten Denken.″ (Ralf Ludwig)

 

Der vollständige Tierkreis mit seinen, noch unterschiedlich langen, zwölf Sternbildern auf der Ekliptik, wurde schließlich im 5. Jahrhundert v. Chr. während des Achämenidenreiches, auch Altpersisches Reich genannt, im Gebiet Mesopotamiens entwickelt bzw. erstmals überliefert. Der Tierkreis und seine Deutungsebenen entstammen somit einer ganzheitlichen Denkentwicklung, bestehend aus einem phänomenologisch- mathematischen, einem mystisch-philosophischen, einem geistigen und einem überpersönlichen Teil.

 

Thales von Milet (624–545 v. Chr.) berechnete z. B. bereits eine Sonnenfinsternis voraus, sodass nun die furchteinflößende Verfinsterung der Sonne nicht mehr eine Strafe der Götter, sondern ein vorhersehbares Ereignis der Natur war.

Nahezu parallel dazu entwickelte beispielsweise Anaxiander von Milet (610–546 v. Chr.) ein astronomisches Messinstrument: das Gnomon, ein Vorläufer der Sonnenuhr.

 

Während Pythagoras (570–510 v. Chr.) die Ansicht vertrat, dass die Wahrheit des Lebens sich aus der Zahl erschließt, legten andere Gelehrte ihr Augenmerk mehr auf die Seele des Menschen.

Heraklit (um 520 – um 460 v. Chr.) überliefert uns dazu:

„In dem Maße, in dem die Seele Anteil am Logos hat, ist der Mensch in der Lage, richtig zu handeln. Richtiges Handeln ist, wenn die Einsicht in die Gesetzmäßigkeit der Natur und die Einsicht in den Weltlogos zusammenfallen″.

Gleichzeitig steht Heraklit für eine Erkenntnis, die in der Astrologie eine elementare Rolle spielt:
die Frage nach der Polarität. Die Frage nach dem Ursprung, dem Eintreten aus der Ewigkeit in das „Geteilt-sein″, dem „Eingespannt-sein″ zwischen Himmel und Erde, der Möglichkeit, über die „Ein-sicht″, die Gegensätze in sich zu vereinen, um schließlich eine Mitte, einen Ausgleich zu finden. Auf dieses Thema bezieht sich sein berühmter Ausspruch: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge.″

 

Platon (428/427 – 348/347 v. Chr.) vertiefte diesen Ansatz weiter indem er sich mit dem Gedanken beschäftigte, dass die Existenz materieller Dinge grundsätzlich auf etwas Nichtmateriellem fußt:

„Was beim Menschen bewegt wird ist der menschliche Leib, während das Bewegende die Form ist, die Seele. Die Seele ist „Zweck des Leibes″ und unsterblich. Der Leib ist um der Seele Willen da, und nicht ihr Kerker. Die sichtbare Wirklichkeit ist die Scheinwirklichkeit, sie ist voller Schatten und Abbilder der Ideen, während der unsichtbaren Welt der Ideen, wahre Wirklichkeit, wahres Sein zukommt.

Die Gegenstände der sichtbaren Welt sind Schatten. Ihre Vorbilder oder Ideen nicht. Jedes Pferd, jeder Baum hat seine Idee, egal ob man sie Pferdheit, Baumheit oder Urbild oder Allgemeinbild nennt. Die Welt der Schatten, ist von der Welt der Ideen vollkommen getrennt, zwischen ihnen herrscht eine Kluft″.

Diese Gedanken finden sich in der Astrologie im Wesentlichen in der Deutung.

 

Wie sehr die Astrologie das Leben und Denken der Menschen der Antike beeinflusste, ja geradezu prägte, ergibt sich schon aus der Enstehungsgeschichte in der griechischen Mythologie.

Demnach verband sich Uranus, der Gott des Himmels und im astrologischen System der Herrscher des Zeichens Wassermann, mit Gäa, der Göttin der Erde, die im astrologischen System die Stier-Venus bekleidet. Der Verbindung entsprang, unter anderen, der Sohn Kronos, besser bekannt unter seinem römischen Namen Saturn und im astrologischen System hauptsächlich für die Bestimmung zuständig. Uranus verschmähte alle seiner Kinder, was Gäa kränkte und sie dazu veranlasste, ihre Kinder gegen den Vater aufzubringen. Der Sohn Kronos übernahm die Bedürfnislage seiner Mutter, entmannte, mit einer von seiner Mutter eigens zu diesem Zweck hergestellten Sichel, den Vater Uranus, und schleuderte, so erzählt der Mythos weiter, das „corpus delicti″ ins Meer, aus dessen Schaumkronen sich die Aphrodite, der Waage-Anteil der Venus, erhob.

 

Daraus ergibt sich das Verständnis, dass die Sterne als Götter verehrt wurden, was erklärt, warum die Astrologie, mit der Entstehung des Christentums, unwiderruflich das Feld räumen musste. Nicht umsonst ist das erste Gebot der christlichen Lehre, du sollst neben mir keine anderen Götter haben, das erste Gebot. Die Astrologie durfte also von heute auf morgen, bzw. innerhalb von etwa 500 Jahren, nicht mehr, und zwar nie mehr wirklich so benannt werden. Da alle bis dahin bekannten Wissenschaften, die Philosophie und die Mathematik mit der Astrologie aber auf das Engste verwoben waren, belegte nach der Patristik, also der Phase der Kirchenväter in den ersten fünf Jahrhunderten unserer Zeit, Kaiser Justinian im Jahr 529 die Athener Akademie mit einem Verbot. Im gleichen Jahr eröffnete Benedikt von Nursia das Kloster Montecassino. Damit übernahmen die Klöster, schwerpunktartig die Benediktiner, aber auch die Dominikaner und Franziskaner, später dann ebenfalls die Jesuiten, die „Verwaltung des Wissens″ des Abendlandes. Jeder Ansatz einer Überlegung musste, ab dato, mit der christlichen Lehre des „Einen Gottes″ in vollem Umfang vereinbar sein.

 

Selbstverständlich wurde die Astrologie weitergeführt, sie durfte nur nicht so benannt werden
und führte deswegen ab dem sechsten Jahrhundert ein Schattendasein ohne Anerkennung, hin- und hergereicht zwischen den Kathedern der Mönchskutten. Immer wandelnd zwischen Erkenntnis und Häresie, zwischen Wahrheitsfindung und Scheiterhaufen. Es begann ein Eiertanz der Umbe-
nennungen, Abspaltungen, Verbannungen. Dabei blieb die Astrologie für immer ohne Leumund, ohne Vertreter einer offiziell anerkannten Lehre. Der philosophische Ansatz eines Platon oder auch Aristoteles wurde herausgelöst und zunächst verbannt, bis er in der Scholastik des Mittelalters bei den christlichen Mystikern wieder neuen Aufwind fand, nachdem z.B. das Hauptwerk des Aristoteles, das verschwunden war, durch arabische Philosophen um 1200 plötzlich ins Lateinische übersetzt, wieder auftauchte und die Lehre von christlichen Mystikern, wie etwa die von Thomas von Aquin wesentlich beeinflusste, und insgesamt den Neuplatonismus prägte. Den Anteil der Mystik (myein: Augen und Lippen schließen) finden wir heute hauptsächlich in den Formen der christlichen Kontemplation. Ziel aller ist die Entelechie, der Akt, der die Vollendung der Seele in
sich hat.

 

Praktisch ließ sich die Astrologie allerdings in keinem Bereich wirklich ausmerzen, sodass sie bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts noch immer ein fester Bestandteil des täglichen Lebens war. Jeder Hof, der etwas auf sich hielt, unterhielt einen Hofastrologen. Keine Schlacht, ohne Horoskop. Im Bereich der Medizin war das Horoskop fester Bestandteil bis hin ins 16. Jahrhundert zu Paracelsus. In der Astromedizin war die Astrologie ein selbstverständliches Hilfsmittel des Mediziners, vergleichbar dem heutigen Gebrauch eines Stethoskopes. Auch Gelehrte wie z.B. Melanchton, alias Phillip Schwartzerdt, einer der engsten Weggefährten Martin Luthers, war ein überregional bekannter und ambitionierter Astrologe und exzellenter Kenner sowohl der altgriechischen Sprache, als auch ihrer Mythologie, was in Geschichtsbüchern über ihn und seine Zeit kaum erwähnt wird.
Er war u.a. einer der Übersetzer griechischer und lateinischer Schriften für Martin Luther, der seinerseits die Astrologie für eine „schebbichte Kunst″ hielt, was schon typisch war für seine Zeit, eine Zeit des Umbruchs, die die nächste große Zeitachse in der Geschichte der Menschheit, das Ende des Mittelalters, die Entstehung der Neuzeit, der Renaissance einleitete.

 

Hier entstand eine neue Betrachtungsweise der Dinge, schon angedeutet durch Menschen wie etwa Leonardo da Vinci, konkretisiert durch Gelehrte wie etwa Galileo Galilei, Johannes Keppler u.a.. Als sich herausstellte, dass die Erde tatsächlich keine Scheibe ist und sich auch noch um die Sonne dreht und nicht umgekehrt, fielen die Dinge auseinander. Man begann damit zu trennen, zu unterscheiden im Ausschlussverfahren der Betrachtung und Anerkennung der Materie. Es war das Ende des wesentlichen Teils zwischen Himmel und Erde, das Ende des Mythos. Die Geburtsstunde des Logos, im Sinne des Intellektes, in Abdrängung des Seelischen, damit in Kastration des Geistes und sowieso des Überpersönlichen. Dadurch entwickelte sich auch die Philosophie mehr und mehr von der Tiefe in die Breite. Mehr Worte begannen weniger auszusagen. Die Astrologie wurde kurzerhand  aufgespaltet in Astrologie und Astronomie und letztere ging damit einen Weg, den
man der Physik zuschrieb. Die Astrologie verschwand im Dubiosen. Somit war die Astrologie in ihrem Ursprung nahezu vollständig aufgehoben, auch wenn sich dieser Prozess noch bis ins
19. Jahrhundert hinzog. Augenscheinlich ist, dass große Geister wie etwa Hölderlin, Schiller oder in seiner Weise auch Goethe nach ihrer Zeit wenig bis gar keine vergleichbaren Nachfolger gefunden haben. Geister von einer Qualität, die nur sein kann, wo das Seelische einen angemessenen Platz hat, weil der Geist sich aus dem Seelischen speist, während der Intellekt seiner Art nach der Körperlichkeit zugeordnet, und von daher, seiner Gestalt nach begrenzt ist, weil er in Ausschließlichkeit fähig ist auseinanderzuhalten bzw. zusammenzufügen. Somit ist er nur in der Lage etwas aus sich selbst heraus zu entwickeln, aus Faktoren, die vom Grundsatz her bereits bekannt, und von daher lediglich dazu geeignet sind, eine Funktion zu bedienen.

 

C. G. Jung sagte dazu:

„Nur an das Vernünftige zu glauben verbreitet ein trügerisches Licht, welches nur beleuchtet, was man schon weiß, aber all jenes mit Dunkelheit bedeckt, was zu wissen und bewusst zu machen am allermeisten nottäte.″

 

Vielleicht wird die Astrologie auch deswegen gerne als „Geheimlehre″ bezeichnet, weil im Hintergrund doch immer Kräfte in Form von Persönlichkeiten der ungewöhnlichen Art fungierten, die dazu beitrugen, dass die Astrologie nicht ganz der Zerstörung erlag. Menschen unterschied-
lichster Coleur, wie etwa Abi Warburg, C. G. Jung, oder auch Oscar Adler und Wolfgang Döbereiner.

 

Während Abi Warburg Anfang des 20. Jahrhunderts eine Sammlung, bestehend aus etwa 60.000 astrologischen Exponaten aus allen Epochen und aller Welt in einer Bibliothek zusammenfasste, eine Sammlung, die vor den Nazis gerettet werden konnte (Warburg war Jude) und sich heute in den geheiligten Hallen der Royal Academy London befinden soll, vertrat der Astrologe, Arzt und Musiker Oscar Adler, verheiratet mit Paula Freud, einer Nichte Sigmund Freuds, und Bruder des Juristen und Sozialphilosophen Max Adler, die Ansicht, dass die geistigen Grundlagen der Astrologie das Wesentliche darstellen, dahingehend, als dass sie einem Menschen helfen können, seine Anlagen zu erkennen und damit schließlich Eigenverantwortung zu übernehmen. „Geheimwissen″ kann, nach Ansicht Adlers, letztlich nicht vermittelt, sondern nur von einem selbst gesucht und gefunden werden. Der Schüler müsse seinen Weg selber gehen.

 

Durch Menschen wie C. G. Jung fanden die Grundlagen der Astrologie in der Beschreibung seiner Archetypen eine Renaissance und er beflügelte somit die Seite der Seele unter Berücksichtigung der Mystik und einer Abkehr der Ausschließlichkeit intellektueller, und damit eingeschränkter Betrachtungsweisen.

 

Schließlich aber war es der Astrologe Wolfgang Döbereiner, der, ausgestattet mit der Gabe des Genius, Anfang der 1950er Jahre die Astrologie noch einmal völlig neu überarbeitete, was in Fachkreisen unter dem Begriff „Münchner Rhythmenlehre″ große Anerkennung findet, und dessen Lehre vielen Menschen, einschließlich mir, wichtige Impulse liefert.

 

Obwohl Astrologen sich in unterschiedlichen Verbänden organisieren und darstellen, gelang es nie wieder, der Astrologie zu ihrem verdienten Platz zu verhelfen, sodass sie, in Abrede der Aner-
kennung der breiten Öffentlichkeit der heutigen Tage, bestenfalls, mit dem abfälligen Kopfnicken des Unwissenden, der „Esoterik″ („dem inneren Bereich zugehörig″/ „von innen betrachtet″) zugeschoben wird, ohne sich über die Bedeutung des Begriffes im Klaren zu sein, dazu verurteilt, inmitten dümmlich sinnentleerter Sprüche auf Kaffeetassen und Zuckerwürfeln ihr Dasein zu fristen.

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